RESOLUTION DES AUFSICHTSRATS DER DEUTSCHEN LUFTHANSA AG
Für ein souveränes Europa – Luftverkehr neu denken
Der europäische und mit ihm der deutsche Luftverkehr stehen erheblich unter Druck. Unsere europäischen Standorte verlieren seit Jahren ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Geopolitische Entwicklungen verschärfen zunehmend die Lage.
Wir arbeiten intensiv daran, die Wettbewerbsnachteile innerhalb unserer Möglichkeiten auszugleichen: Wir modernisieren unsere Flugzeugflotte, digitalisieren Reiseketten und Produkte und treiben die Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen voran.
Aber vieles liegt nicht in der Hand der Unternehmen. Die Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die nachhaltiges Wirtschaften überhaupt erst ermöglichen und damit für gute zukunftsfähige Arbeitsplätze Voraussetzung sind. Dieser Bringschuld kommen die europäische und deutsche Politik immer weniger nach. Im Gegenteil: Die Politik setzt zu stark auf Regulierungen, die die Interessen der europäischen Volkswirtschaften aus dem Blick verlieren. Das hat auch Mario Draghi in seinem Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU nachdrücklich unterstrichen.
In den vergangenen Jahren wurden umfangreiche Regelwerke auf den Weg gebracht, die europäische Netzwerkairlines und EU-Drehkreuze im internationalen Wettbewerb einseitig und empfindlich benachteiligen. Konkret sind es die Klima-, Handels- und Außenwirtschaftspolitik der EU, welche die Wirtschaftskraft der europäischen Unternehmen schwächen. Profiteure dieser politischen Schieflage sind Airlines aus dem Mittleren Osten, der Türkei und China, die sozial-, gesellschafts- und umweltpolitisch meilenweit von den EU-Standards entfernt sind und durch massive Investitionen in ihre Luftverkehrsinfrastruktur unterstützt werden.
Wir fordern die EU-Kommission und auch die kommende Bundesregierung zu einer klaren Kurskorrektur auf:
#KLIMAPOLITIK
Die Gesetze und Gesetzesvorhaben des Green Deal treffen einseitig EU-Netzwerkairlines. Sie sind klimapolitisch vielfach angreifbar, weil sie zu Carbon Leakage führen. Sie gefährden europäische Arbeitsplätze und schwächen Europas Konnektivität und damit die strategische Autonomie des Kontinents. Das gilt insbesondere für die Quotierung nachhaltiger Kraftstoffe und den EU-Emissionshandel.
Es ist augenfällig, dass der Green Deal kein Vorbild für andere Weltregionen ist. Denn er zahlt zu wenig auf die eigenen wirtschaftspolitischen Interessen ein. Ziel muss sein, „Wettbewerbsneutralität“ zum Schlüsselkriterium in der überfälligen Überarbeitung des Maßnahmenpakets zu machen. Regelungen, die überwiegend nur EU-Unternehmen treffen, sind rasch zu überarbeiten oder bis auf Weiteres einem Moratorium zu unterwerfen.
#VERKEHRSRECHTE/KATAR
Die Wettbewerbsverzerrungen, die EU-Airlines belasten, sind vielfältig und umfangreich. Erheblich ins Gewicht fällt das Luftverkehrsabkommen der EU mit Katar. Zu den radikal ungleichen Marktverhältnissen und dem sozialpolitischen Gefälle kommt erschwerend der Umstand des Korruptionsverdachts hinzu.
Es ist längst überfällig, dass die EU-Kommission das Luftverkehrsabkommen mit Katar aussetzt. Unverständlich ist, dass diese Reaktion bislang ebenso ausbleibt wie die Hinzuziehung europäischer Staatsanwaltschaften. Die bereits bekanntgewordenen und seit Monaten unwidersprochen gebliebenen Korruptionsvorwürfe sind schwerwiegend und dürfen nicht länger übergangen werden.
#RUSSLAND
Wir unterstützen die politischen Ziele der EU und sind Teil der europaweiten Geschlossenheit gegen die Invasion Russlands in die Ukraine. Gleichwohl muss die EU auch die unternehmerischen Konsequenzen von Sanktionen in den Blick nehmen und Antworten darauf finden. Der Angriffskrieg Russlands hat dazu geführt, dass EU-Airlines den russischen Luftraum seit fast drei Jahren nicht mehr nutzen können. Das betrifft vor allem Langstrecken nach China, Japan und Südkorea. Demgegenüber fliegen zum Beispiel chinesische Airlines hochfrequent über Russland und bauen so ihre Verbindungen nach Europa einseitig aus. Hervorzuheben ist zudem, dass besonders Fluggesellschaften aus der Türkei ihre Kapazitäten nach Russland seit Kriegsbeginn signifikant erhöht haben – unter Beibehaltung einer umfassenden Bedienung der EU. Ergebnis sind weitere substanzielle Wettbewerbsverzerrungen zulasten der heimischen Airline-Industrie.
Eine wirtschaftspolitische Reaktion auf diese kriegsbedingten Marktanteilsverluste bleibt bislang aus. Wir fordern die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein Level-Playing-Field über finanzielle oder verkehrsrechtliche Maßnahmen herzustellen.
#BÜROKRATIE
Die regulatorischen und bürokratischen Lasten, gerade im Themenbereich ESG, sind unverhältnismäßig und für die Unternehmen kaum noch tragbar. Gesetzgebung wird ohne Rücksicht auf die administrativen Auswirkungen und Folgekosten auf den Weg gebracht. So nimmt die Bürokratie immer weiter zu. Das gilt im Besonderen für Maßnahmen des Green Deal (z.B. CSRD, Green Claims Directive, Anti-Tankering).
Wir fordern die EU-Kommission auf, den gesetzlichen Status Quo zu überprüfen, Bürokratielasten in den Unternehmen tatsächlich und spürbar abzubauen, statt die Lage weiter zu verschärfen, und von zusätzlich geplanten Initiativen bis auf Weiteres abzusehen.