Luftverkehrsteuer
Ein industriepolitisches Eigentor ohne ökologischen Effekt
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zugesagt, nationale Belastungen im Luftverkehr abzubauen. Tatsächlich passiert das Gegenteil: Das Kabinett hat im Klimaschutzprogramm beschlossen, die Luftverkehrsteuer massiv anzuheben. Demnach sollen die Steuereinnahmen von derzeit rund 1,2 Milliarden Euro um weitere rund 780 Millionen pro Jahr steigen.
Politische Aussagen mit kurzer Halbwertszeit
„Wir wollen (...) die Entlastung unserer Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten.“
Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, 12. März 2018
„Den Luftfahrtstandort Deutschland und die Arbeitsplätze in der Luftfahrt wollen wir nachhaltig sichern und stärken.“
Bund und Länder zur Nationalen Luftfahrtkonferenz, 21. August 2019
„Zum klimapolitischen Effekt der Luftverkehrsteuer liegen der Bundesregierung keine aktuellen Erkenntnisse vor. (…) Der Bundesregierung liegen derzeit keine Kenntnisse vor, zu welchen Verlagerungseffekten zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Luftverkehr eine Anhebung der Luftverkehrsteuer führen würde. “
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, 17. September 2019
Deutschland schießt damit ein industriepolitisches Eigentor ohne ökologischen Effekt. Die Millionen fließen nicht in den Klimaschutz, sondern finanzieren die Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn. Der Luftverkehr, der als einziger Verkehrsträger seine Infrastruktur selbst bezahlt, soll ein Staatsunternehmen querfinanzieren.
Schon heute ist die Steuer- und Abgabenlast im Luftverkehr hierzulande so hoch wie in kaum einem anderen Land. Deutsche Airlines, Flughäfen und Passagiere werden zur Kasse gebeten, während die internationale, teilweise staatlich subventionierte Konkurrenz profitiert. Auch wenn das parlamentarische Verfahren nur noch wenig Zeit bietet, muss hier nachgesteuert werden. Die politischen Weichenstellungen sollten heimische Arbeitsplätze in den Blick nehmen, die auch von den Bedingungen im internationalen Wettbewerb abhängen.
Die Niederlande machen’s richtig
Wie es geht, zeigen die Niederlande: Die Regierung will keinen nationalen Alleingang und wirbt intensiv für eine europaweit einheitliche Ticket-Abgabe. So werden Passagierverlagerungen zu anderen Standorten vermieden und der EU-Binnenmarkt gestärkt. KLM und ihre Mitarbeiter können sich auf eine Politik verlassen, die über eigene Landesgrenzen hinausblickt und Aktionismus vermeidet. Das Gegenteil erleben wir in Deutschland. Auch Frankreich agiert moderater. Dort fallen pro Passagier rund 7 bis 16 Euro Luftverkehrsteuer an. In Deutschland sollen 13 bis 60 Euro fällig werden.
Europäischer Luftverkehr zahlt doppelt
Bei Flügen bis zu 2.500 Kilometer (Distanzkategorie 1) soll die Luftverkehrsteuer um 74 Prozent steigen: von 7,50 Euro pro Passagier auf rund 13 Euro. Im Verhältnis deutlich stärker als auf der Mittel- oder Langstrecke, die um jeweils 42 Prozent teurer werden. Das ist weder industriepolitisch noch umweltpolitisch sinnvoll. Anders als etwa der Straßenverkehr ist der Luftverkehr seit 2012 Teil des EU-Emissionshandels (ETS) und bezahlt damit einen CO₂-Preis. Deutsche Airlines müssen also für Flüge in Deutschland und Europa doppelt aufkommen: Sie erwerben ETS-Zertifikate und zahlen immer mehr Luftverkehrsteuer. Unsere Konkurrenten aus Asien, der Türkei oder dem Mittleren und Nahen Osten hingegen beteiligen sich nicht am ETS. Jetzt profitieren sie auch noch von der deutschen Besteuerung. Indirekt verbilligt dieser erneute nationale Alleingang Langstreckenverbindungen über außereuropäische Drehkreuze. Die Golfstaaten und die Türkei unterstützen ihre Luftfahrtindustrien massiv, während die deutsche Regierung die eigenen Fluggesellschaften im Wettbewerb mit solchen Airlines und den Low-cost-Carriern benachteiligt.
Deutsche Fluggesellschaften und ihre Passagiere zahlen mehr als die Hälfte der Luftverkehrsteuer
Quelle: Bundesregierung, BDL; Verteilung der Steuerbelastung entsprechend den Werten von 2018
Investitionen in CO₂-neutrale Kraftstoffe fehlen
Klimaschutz kostet Geld. So investiert Lufthansa jährlich Milliarden Euro in neue und emissionsärmere Flugzeuge. Für den CO₂-neutralen Flug wollen wir künftig synthetisches Kerosin tanken. Die Technologie zur Herstellung von Power-to-Liquid-Kraftstoffen (PtL) ist erprobt und funktioniert. Nun kommt es darauf an, die Produktionskapazitäten im industriellen Maßstab zu entwickeln. Sowohl die Nationale Luftfahrtkonferenz in Leipzig als auch der Koalitionsvertrag von 2018 kündigen eine umfassende Förderung alternativer Flugkraftstoffe an. Bisher folgen den Worten keine Taten. Konkrete Pläne für ein finanzielles Engagement bei synthe-tischem Kerosin fehlen im Klimaprogramm. Die Milliarden-beträge aus der Luftverkehrsteuer wären hier gut angelegt.
Kein Cent für Klimaschutz im Luftverkehr
Was als Klimaschutzpaket verkauft wird, verdient den Namen nicht. Denn die zusätzlichen Millionen sollen nicht in konkrete Klimaschutzmaßnahmen investiert werden. Ziel ist es, mehr Fluggäste zum Wechsel auf die Bahn zu bewegen. So weit, so theoretisch. Allerdings: Der innerdeutsche Flugverkehr stagniert ohnehin seit Jahren. Flüge unter 400 Kilometer gibt es kaum noch. Auf diesen Strecken nutzen Reisende Bahn oder Auto. Grundsätzlich konkurrieren in Deutschland vor allem Straße und Schiene: So nutzen 68 Prozent den Pkw, 23 Prozent die Bahn und nur 4 Prozent das Flugzeug.
Dass sich nicht noch mehr Menschen für den Zug statt den Flug entscheiden, liegt nicht am Preis, sondern an der Reisezeit. Drei Stunden ist hier die magische Grenze. Wenn die Zugfahrt länger dauert, entscheiden sich die meisten Menschen für den Flug. Für Tagesreisen hin und zurück ist die Bahn dann kaum mehr eine Alternative. Auch bei der Anfahrt zu einem Drehkreuz helfen keine steuerpolitischen Raffinessen, sondern eine bessere Anbindung der Flughäfen an den Schienenfernverkehr. Der Handlungsbedarf ist erheblich. So halten am Münchener Airport auch knapp drei Jahrzehnte nach Eröffnung weder IC- noch ICE-Züge. Die Lufthansa Group baut seit Jahren ihre Express-Rail-Angebote aus – notgedrungen nur für Zubringerzüge zum Frankfurter Airport.
Politische Aussagen mit kurzer Halbwertszeit
„Wir wollen (...) die Entlastung unserer Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten.“
Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, 12. März 2018
„Den Luftfahrtstandort Deutschland und die Arbeitsplätze in der Luftfahrt wollen wir nachhaltig sichern und stärken.“
Bund und Länder zur Nationalen Luftfahrtkonferenz, 21. August 2019
„Zum klimapolitischen Effekt der Luftverkehrsteuer liegen der Bundesregierung keine aktuellen Erkenntnisse vor. (…) Der Bundesregierung liegen derzeit keine Kenntnisse vor, zu welchen Verlagerungseffekten zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Luftverkehr eine Anhebung der Luftverkehrsteuer führen würde. “
Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, 17. September 2019
Bundesregierung will Steuer erhöhen
Einnahmen aus Luftverkehrsteuer pro Jahr
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesregierung
Warum gelten politische Zusagen nicht?
In ihrem Koalitionsvertrag 2018 versprechen CDU, CSU und SPD, die Luftfahrtunternehmen von „einseitigen nationalen Kosten“ zu entlasten. Steuererhöhungen für die Bürger und Bürgerinnen sollte es nicht geben. Davon ist heute keine Rede mehr. Im Gegenteil, in den vergangenen Wochen drehte sich die Steuerspirale immer schneller. Aus den ursprünglich rund 150 Millionen Euro durch eine zusätzliche Abgabe auf Inlandsflüge wurden durch die Mehrwertsteuersenkung für die Bahn 500 Millionen. Als sich kurz vor dem Kabinettsbeschluss dann eine weitere Finanzierungslücke auftat, folgte der nächste Griff in die Taschen des Luftverkehrs: weitere 250 Millionen Euro wurden draufgesattelt.
Im laufenden parlamentarischen Verfahren könnten zumindest noch einige Stellhebel bewegt werden.
Die Besteuerungssätze sollten in den drei Distanzklassen ausgewogener ausgestaltet werden.
Klimapolitisch effektiver ist es – wie in Leipzig und im Koalitionsvertrag vereinbart –, in Pilotprojekte für regenerative Kraftstoffe zu investieren. Die Bundesregierung sollte das Thema zudem auf EU-Ebene sowie in der UN-Luftfahrtorganisation forcieren.
Gleiches gilt für den Dauerbrenner Single European Sky (SES): Schon die Koalition von 2009 hatte sich auf die Fahne geschrieben, den SES voranzutreiben. Getan hat sich bisher zu wenig. Und dass, obwohl eine effiziente Streckenführung die CO₂-Emissionen auf innereuropäischen Strecken um bis zu 10 Prozent senken könnte.
Eine global agierende Branche braucht internationale Klimaschutzvereinbarungen. Die Bundesregierung sollte dazu beitragen, den EU-Emissionshandel und das weltweit geltende Klimaschutzsystem CORSIA optimal aufeinander abzustimmen. So lassen sich Doppelbelastungen für europäische Airlines vermeiden.
Die Bundesregierung hat sich mehrfach für Entlastungen des Luftverkehrs ausgesprochen. So soll sich der Staat laut Koalitionsvertrag stärker an den Luftsicherheitskosten beteiligen. Ein Zwischenfazit fällt ernüchternd aus. Nach wie vor müssen Airlines in Deutschland 100 Prozent des Aufwandes schultern – im Gegensatz etwa zu den USA, wo der Staat zwei Drittel übernimmt. Fast überflüssig, zu erwähnen, dass der Staat der Deutschen Bahn AG auch diese Kosten weitgehend abnimmt.
Nachhaltigkeit gehört seit 25 Jahren zur DNA der Lufthansa. Für uns ist es zentrale Zukunftsaufgabe, den Flugverkehr CO₂-ärmer zu machen. Damit das gelingt, müssen alle ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Politik sollte das Engagement der Airlines mit einem passenden, möglichst globalen Regelwerk flankieren. Die deutsche Antwort auf die Frage des Klimaschutzes muss künftig Technologie und Innovation sein, nicht nationale Verbote oder Verteuerung.
Die Wettbewerbsbedingungen im internationalen Luftverkehr zeigen große Unterschiede
Bundesregierung will Steuer erhöhen
Einnahmen aus Luftverkehrsteuer pro Jahr
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesregierung
Weitere Inhalte zum Thema
Entwurf
Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes
„Fliegen soll teurer werden“ – so einfach kann Politik sein.
Charts
Evaluierungsbericht zur Luftverkehrsteuer
Regelmäßig evaluiert der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) die Auswirkungen der Luftverkehrsteuer. Der letzte Bericht vom November 2018 unterstrich einmal mehr die wettbewerbsverzerrende Wirkung – die mit der Steuererhöhung nochmals zulegen wird.
Leitlinie von Bund und Länder
Leipziger Statement für die Zukunft der Luftfahrt
Bund und Länder haben sich Mitte August in der Leipziger Erklärung zum Luftverkehr bekannt. Sie wollen klimaschonende PtL-Kraftstoffe fördern, den Single European Sky vorantreiben und Deutschland als Luftfahrtstandort „nachhaltig sichern und stärken“. Von einer Erhöhung der Luftverkehrsteuer war entsprechend keine Rede.