Politikbrief spezial – April 2021

Was der Luftverkehr jetzt braucht

 

  STANDORTPOLITIK
      Qualität steigern, Kosten senken

  KLIMASCHUTZ UND NACHHALTIGKEIT
      Der Luftverkehr braucht globale Klimaschutzregeln

  ARBEIT UND SOZIALES
      Arbeitsplätze sichern

  VERBRAUCHERSCHUTZ
      Fluggastrechte reformieren

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Zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftskraft

Der Luftverkehr verbindet Menschen, Völker und Kulturen. Als wirtschaftlicher Motor Europas lebt Deutschland vom Export und ist in besonderer Weise auf schnelle, zuverläs­sige Verbindungen in die Welt angewiesen. Die unverzichtbare Scharnierfunktion des Luftverkehrs für Gesellschaft und Wirtschaft zeigt sich auch in der Corona-Pandemie – bei Repatriierungsflügen, dem Transport medizinischer Schutz­ausrüstung, der Impfstoffverteilung oder dem Erhalt von Wertschöpfungsketten.

In den kommenden Jahren steht der Luftverkehr vor zwei zentralen Herausforderungen: Zunächst ist wichtig, die Corona-Pandemie mit ihren gravierenden Folgen zu überwinden. Die zügige Rückkehr des Luftverkehrs katalysiert den Aufschwung in vielen Wirtschaftszweigen und wird international helfen, die volkswirtschaftliche Erholung zu beschleunigen. Dazu braucht es eine Politik, die einen Neustart des Luftverkehrs aktiv unterstützt. Zum anderen gilt es, die Anstrengungen zum Schutz des Klimas weiter zu intensivieren. Hierzu bedarf es eines Bündels technologischer und regulatorischer Maßnahmen – auf europäischer und internationaler Ebene.

 
 

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Standortpolitik

Qualität steigern, Kosten senken

Deutschland ist als Luftverkehrsstandort einer der teuersten der Welt. Die Gebühren deutscher Flughäfen gehören zu den höchsten in Europa, die Kosten für die Sicherheitskontrollen sind europaweit spitze, erst im vergangenen Jahr wurde die Luftverkehrsteuer um bis zu 74 Prozent erhöht. Dieses Kostenniveau spiegelt jedoch nicht die Qualität unserer Infrastruktur wider. Politik und Industrie sollten den Ehrgeiz haben, den Luftverkehrsstandort Deutschland zu einem Aushängeschild unseres Landes zu machen.
Kriseneffekte durch Belastungsmoratorium abmildern

Angesichts dieser Standortnachteile und insbesondere der massiven Krisenkosten ist die deutsche Luftverkehrswirtschaft auf ein Belastungsmoratorium angewiesen, um lang­fristig wettbewerbsfähig zu bleiben – insbesondere im Vergleich zu nicht­europäischen Standorten.

Die Krisenkosten bei Flugsicherung, Flughäfen und Sicherheitskontrollen sollten deshalb nicht den Airlines in Rechnung gestellt, sondern für eine Übergangszeit vom Staat bzw. von den Eigentümern getragen werden. Die Kosten für Detektion und Abwehr von Drohnen an Flughäfen sollten im Rahmen der allgemeinen Gefahren­abwehr grundsätzlich vom Staat übernommen werden.

Luftverkehrskonzept auf Basis von Wirtschaftlichkeitsprognosen entwickeln 

Der Luftverkehrsstandort Deutschland muss im Rahmen eines strategischen Luftverkehrskonzepts auf Basis realis­tischer Nachfrage- und Wirtschaftlichkeits­prognosen weiterent­wickelt werden. So kann eine dauerhafte Subventionierung unrentabler Standorte vermieden werden. Im Sinne einer effi­zienten europäischen Luftverkehrspolitik sollten zudem Zoll-, Luftsicherheits- und Steuerverfahren einheitlich umgesetzt werden.

Chancen der Digitalisierung ergreifen

Für die Zukunftsfähigkeit des heimischen Luftverkehrsstandorts ist eine moderne Infrastruktur von hoher Bedeutung. Mit technischen Neuerungen wie automatisierten und biometrischen Sicherheits- und Einreisekontrollen und einer digitalen Identität, die mit einheitlichen Standards mindestens EU-weit eingeführt werden sollte, werden Effektivität und Effizienz der Kontrolle sowie Reisekomfort gesteigert und auf ein interna­tionales Wettbewerbsniveau gehoben. Auch für die Logistikkette in der Luftfracht ist Digitalisierung ein wichtiger Stellhebel, weshalb insbesondere an einem „Digitalen Testfeld Luftfracht“ festzuhalten ist.

Bewährte Slot-Regulierung beibehalten

Ein wichtiges Element der Luftverkehrsinfrastruktur ist ein berechenbares und international kompatibles System der Zuteilung von Zeitnischen (Slots) an großen Flughäfen. Die bestehende EU-Slotverordnung ist hierfür tauglich und ermöglichte in den letzten Jahren intensiven Wettbewerb (z.B. Low Cost Carrier).

Luftverkehrsabkommen für faire Wettbewerbsbedingungen einsetzen

Für ausgewogene Luftverkehrsbeziehungen zu Drittstaaten sind faire Wettbewerbsbedingungen entscheidend, insbesondere in Bezug auf Klima- und Verbraucherschutz, Sozialstandards und staatliche Subventionierung. Dies sollte vor Aufnahme von Verhandlungen zu Luftverkehrsabkommen beachtet werden. Angesichts des krisenbedingten Rückgangs des Luftverkehrs führen Erweiterungen des Verkehrsrechtsrahmens ohne ein echtes Level-Playing-Field lediglich zur Aus­höhlung europäischer Standards.

Luftfracht wird auf allen Interkontinentalflügen transportiert und stellt einen zentralen Erlösbestandteil der Passagierflüge dar. Das Verkehrsangebot für Passagiere und Fracht bedingt sich daher. Eine Liberalisierung im Luftfracht­bereich muss daher den gleichen Kriterien folgen, weshalb sich Sonderwege für einzelne Flughäfen oder bestimmte Verkehre von Drittstaaten-Airlines verbieten.

 
 

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Klimaschutz und Nachhaltigkeit

Der Luftverkehr braucht globale Klimaschutzregeln

Mit einem Anteil von ca. 3% an den globalen CO₂-Emissionen steht auch der Luftverkehr in der Verantwortung, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Um CO₂-Emissionen global wirksam zu reduzieren, bedarf es einer Offensive für moderne Technologien bei Flugzeugen und Kraftstoffen, mehr Ambition und Fairness in der internationalen Regelsetzung, politischer Signale gegen Dumping-Preise und mehr Intermodalität zwischen dem Luftverkehr und der Bahn. 
Nachhaltigen Flugkraftstoffen den Weg ebnen

Ein CO₂-neutraler Luftverkehr kann langfristig über einen erfolgreichen Markthoch­lauf nachhaltiger Flugkraftstoffe möglich werden. Um eine Skalierung der Produktion zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erreichen, sollten die Ein­nahmen aus Luftverkehr­steuer und EU-Emissionshandel (ETS) in diesen Bereich investiert werden.

Eine Quote für nachhaltige Kraftstoffe muss immer wett­bewerbsneutral umgesetzt werden. Da die Preise für syn­thetische Kraftstoffe weit über denen für fossile Kraftstoffe liegen, brauchen wir eine Kompensation der Mehrkosten oder Regeln, die über die EU hinausgehen und international Geltung erlangen.

Flottenmodernisierung als kurzfristig wirksamen Hebel nutzen

Kurzfristig wirksam sind Investitionen in moderne und energie­effiziente Flugzeuge. Angesichts der krisenbedingt massiv eingeschränkten Investitionskraft der Luftverkehrs­wirtschaft wären finanzielle Anreizsysteme wie eine Innova­tionsprämie ziel­führend, um die Marktdurchdringung ökolo­gischer Innovationen zu fördern. 

Faires Level-Playing-Field schaffen, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden

Um die Wettbewerbsfähigkeit unseres europäischen Standorts zu sichern, sollten finanzielle Doppelbelastungen ver­mieden werden. Insbesondere die Ungleichbehandlung im ETS zwischen Zubringerflügen an europäische und außereuropäische Drehkreuze benachteiligt die europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen und leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz. Es drohen Verkehrsverlagerungen zu Drittstaaten, die nicht dem ETS unterliegen. Dort basierte Fluggesellschaften haben dadurch einen wettbewerbsverzerrenden Kostenvorteil – zusätzlich zu oftmals geringeren Sozialstandards. Dieser Ungleichbehandlung muss Rechnung getragen werden über eine Reform des ETS oder vergleichbare Instrumente.  

Die Einführung einer Kerosinsteuer in Deutschland oder der EU würde nicht nur den Wettbewerb verzerren, sondern neben der Verlagerung von CO₂-Emissionen auch das Tankering-Problem verschärfen. Auch dies wäre klimapolitisch kontraproduktiv.

Potenziale von Intermodalität und Luftraummanagement heben

Eine verbesserte Intermodalität zwischen Flugzeug und Bahn bietet weiteres Potenzial, um Emissionen zu reduzieren. Dazu gilt es, die im „Deutschlandtakt“-Konzept vorgesehenen Schieneninvestitionen zu realisieren und die Schienenanbindung der Flughäfen, insbesondere in München, zu verbessern. So können immer mehr Flüge auf kürzeren Strecken ersetzt werden. Auch ein effizientes Luftraummanagement spart CO₂-Emissionen. Mit diesem Ziel sollte das „Single European Sky 2+“-Vorhaben der EU zügig umgesetzt werden. 

Anti-Dumping-Maßnahmen umsetzen

Um das Ziel eines qualitativen Wachstums zu erreichen, sollten extreme Billigpreise der Vergangenheit angehören. Sie vermitteln ein falsches Bild von den tatsächlichen Kosten im Luftverkehr und sind ökologisch das falsche Signal. Deshalb sollte die im Klimapaket der Bundesregierung schon 2019 angekündigte Anti-Dumping-Regelung schnell umgesetzt werden, wobei möglichst viele Länder der EU für eine solche Politik gewonnen werden müssen.

 
 

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Arbeit und Soziales

Arbeitsplätze sichern

Vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Entwicklung muss der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Sicherung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze setzen. 
Beschäftigung in modernem Umfeld sichern

Mit dem Auslaufen der Kurzarbeitergeld-Regelung braucht es neue Ansätze, die Krise aus eigener Kraft zu überbrücken (z.B. innovative Teilzeitmodelle). Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen als Katalysator für Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung gewirkt. Der Gesetzgeber sollte diese betriebliche Realität auch gesetzlich abbilden. So bedarf es Anpassungen im Bereich der IT-Mitbestimmung sowie bei den restriktiven Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass bestehende Arbeits- und Sozialstandards eingehalten und Umgehungstatbestände wie bspw. Scheinselbstständigkeiten sanktioniert werden.

 
 

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Verbraucherschutz

Fluggastrechte reformieren

Die deutschen Fluggesellschaften haben auf die schwierige Situation ihrer Kunden in der Corona-Krise reagiert. Die Lufthansa Gruppe hat Umbuchungen wesentlich erleichtert und allein im Jahr 2020 fast 10 Millionen Tickets im Wert von nahezu 4 Milliarden Euro erstattet.
Reform der Fluggastrechte umsetzen

Die 2013 von der EU Kommission angestoßene Reform der Fluggastrechte ist überfällig. Es muss Rechtssicherheit für Kunden und Luftfahrtunternehmen geschaffen und die Balance zwischen Verbraucher- und Unternehmensinteressen wiederhergestellt werden. Das ist nicht zuletzt in den nächsten Jahren, in denen sich der Luftverkehr in Deutschland von den Auswirkungen der Corona-Krise erholen muss, von großer Bedeutung. Die Novellierung der Europäischen Fluggast­rechte-Verordnung sollte auf Basis des bestehenden Vorschlags der Kommission kurzfristig umgesetzt werden. Erfahrungen aus der Pandemie können innerhalb dieses Rahmens berücksichtigt werden.

Vorauszahlungspraxis hilft Airlines und Kunden

Wie in vielen anderen Wirtschaftssektoren, etwa bei der Deutschen Bahn, dem öffentlichen Nahverkehr oder bei Tickets für Veranstaltungen, ist auch im Luftverkehr die
Vorauszahlung weltweit gängige Praxis. Dieses im Jahr 2016 vom Bundesgerichtshof bestätigte System muss fortgeführt und darf nicht regulatorisch beschränkt werden – erst recht nicht in einem nationalen Alleingang. Die Vorkasse-Regelung nutzt Airlines und Kunden. Den Fluggesellschaften verschafft sie Planungssicherheit und damit die Möglichkeit einer differenzierten Preisgestaltung. Davon profitieren unmittelbar die Fluggäste. Denn günstige Frühbuchertarife, die insbesondere für Privatreisende wichtig sind, sind nur durch Vorauszahlung darstellbar. Auch heute schon hat der Kunde die Wahl: Wer eine Vorabzahlung über einen längeren Zeitraum vermeiden möchte, kann erst kurz vor Abflug buchen. Außerdem ist das international gängige Prinzip ökologisch vorteilhaft: Die Auslastung von Flügen kann optimiert werden. Das vermeidet in der Konsequenz nicht ausgelastete Flug­zeuge. Alles andere wäre ökologisch und ökonomisch kontraproduktiv.

 
 

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9. April 2021

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