Wir unterstützen die ehrgeizigen Ambitionen der EU. Auch Lufthansa ist auf dem Weg zur CO₂-Neutralität. Bis 2050 wollen wir dieses Ziel erreichen. Dabei ist klar: Die Herausforderung ist groß und erfordert massive Investitionen. Daher ist entscheidend, dass mehr Tempo und Fortschritt beim Klimaschutz einhergehen mit der Sicherung von Wertschöpfung, Beschäftigung und Know-how. Denn nur wirtschaftlich gesunde Unternehmen können die Transformation treiben. Konkret heißt das: Die EU muss eine klimapolitische Regulatorik finden, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Airlines nicht schwächt und die Verlagerung von Verkehren und Emissionen – der sogenannte Carbon-Leakage-Effekt – vermeidet. Wenn das gelingt, entwickelt sich die europäische Initiative zum weltweiten Vorbild.
Wettbewerbsfähigkeit muss auf die Agenda
Genau das aber leisten die bisherigen Pläne für den Luftverkehr nicht. In der vorgeschlagenen Form führen alle drei Maßnahmen – die Verschärfung des ETS, eine verbindliche Quote für nachhaltige Kraftstoffe und eine Kerosinsteuer – zu enormen Wettbewerbsnachteilen für europäische Flug-gesellschaften. Allein für die Lufthansa Group würde das vorgeschlagene Fitfor55-Paket kumulierte Mehrkosten von 15 bis 20 Milliarden Euro bis 2035 bedeuten. Auf diese einseitige Kostensteigerung und den Wettbewerbsnachteil für EU-Airlines gegenüber der außereuropäischen Konkurrenz weist auch die Ratingagentur Moody’s hin. Mit den Vorschlägen der Kommission würde die Erholung der EU-Netzwerk-Airlines spürbar erschwert und ihre Kreditwürdigkeit geschwächt.
1. Die SAF-Quote braucht einen Carbon-Leakage-Schutz
Die EU-Kommission plant eine verpflichtende Beimischungsquote für Sustainable Aviation Fuels (SAF) von 2 Prozent im Jahr 2025 und 63 Prozent im Jahr 2050. Dieser Ansatz ist grundsätzlich richtig, weil er den Markthochlauf beschleunigt. Das Problem: Die Quote soll für Tankvorgänge in der EU gelten. Weil SAF deutlich teurer sind als fossiles Kerosin, setzt eine solche Regelung Anreize für das Tanken außerhalb Europas und verschafft Netzwerk-Airlines mit Drehkreuzen in Istanbul, Dubai oder Doha einen erheblichen Kosten- und damit Wettbewerbsvorteil. Die Verlagerung von Verkehr und Emissionen ohne Nutzen für die Umwelt und zu Lasten der europäischen Netzwerk-Carrier wäre die Folge. Hier müssen Parlament und Rat gegensteuern. Um Carbon-Leakage-Schutz und fairen Wettbewerb zu sichern, gibt es verschiedene regulatorische Optionen. Die EU sollte ihrem eigenen Vorbild folgen und auch für den Luftverkehr einen Ausgleichsmechanismus einführen, ähnlich wie sie ihn für andere Industrien vorsieht (Carbon-Border-Adjustment-Mechanism). Alternativ bietet sich ein anderer geografischer Geltungsbereich an oder ein Finanzierungsmodell, an dem alle Airlines beteiligt werden.
2. EU-ETS: Zubringerflüge wettbewerbsneutral gestalten
Mit der Revision des europäischen Emissionshandels sollen die Zahl der CO₂-Zertifikate sinken und freie Zuteilungen für den Luftverkehr abgeschafft werden. Da der ETS nur innerhalb Europas gilt, muss besonderes Augenmerk auf der Regulierung für Transferverkehre liegen. So wird etwa bei einer Reise von Lissabon über Frankfurt nach Bangkok der Zubringerflug mit einer EU-Airline nach Frankfurt vom ETS erfasst. Ein Zubringerflug mit einer Nicht-EU-Airline von Lissabon nach Istanbul hingegen nicht. Das birgt das Risiko, dass Langstreckenverbindungen auf außereuropäische Drehkreuze verlagert werden und der scharfe Wettbewerb zwischen EU-Fluggesellschaften und ihrer starken Konkurrenz aus dem Mittleren und Nahen Osten weiter verzerrt wird. Daher ist es zwingend notwendig, Zubringerflüge zu Hubs in und außerhalb Europas gleichzubehandeln.
3. Kerosinsteuer geht am Ziel vorbei
Die Kerosinsteuer hat keine gezielte Wirkung auf die CO₂-Reduzierung, entzieht aber den europäischen Fluggesellschaften Geld, das sonst in Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz fließen könnte. Eine solche Steuer wäre Rückenwind für außereuropäische Fluggesellschaften: Diese könnten unbelastet weiterfliegen, während Zubringerflüge über EU-Drehkreuze sowie innereuropäischer Verkehr – darunter auch die für viele EU-Länder so wichtigen touristischen Reisen – verteuert würden. Daher sollten die Pläne für eine Kerosinsteuer zu den Akten gelegt werden.
Klimaschutz in Luftverkehrsabkommen verankern
Die EU muss Wege finden, die beides ermöglichen: Ambitionierten und wirksamen Klimaschutz und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Airlines. Daher gilt es, Europa als Vorreiter bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs zu etablieren und gleichzeitig, das Ziel eines internationalen Level-Playing-Fields im Blick zu behalten. Ein wirksamer Hebel zur Sicherung eines global fairen Wettbewerbs sind Luftverkehrsabkommen. Sie sollte die EU künftig stärker nutzen, um Gegenseitigkeit bei Umwelt- und Sozialstandards festzuschreiben.