Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in knapp vier Monaten ist es soweit: Europa wählt. Vom 6. bis 9. Juni 2024 sind 350 Millionen Europäerinnen und Europäer aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Diese Wahl ist von immenser Bedeutung, denn Europa braucht einerseits Stabilität und gleichzeitig insbesondere in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik einen deutlichen Richtungswechsel. Zentrale Aufgabe künftiger Europapolitik muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und damit Wertschöpfung und Wohlstand zu sichern. Das gilt insbesondere auch in der Luftfahrt.

Der EU-Binnenmarkt schafft breite und zuverlässige Konnektivität innerhalb Europas. Durch die Anbindung an die Welt stärkt der Luftverkehr nicht nur die Wirtschaftskraft, sondern auch die Unabhängigkeit und Souveränität des Kontinents. Werte, die in Zeiten geopolitischer Krisen immer wichtiger werden. Fliegen ist zudem Grundlage für Handel, Tourismus und interkulturelle Begegnung.

Doch die politischen Entscheidungen der vergangenen Legislatur haben vieles davon aus den Augen verloren. Der European Green Deal als politische Priorität führt für die Luftfahrtindustrie zu massiven Nachteilen im internationalen Wettbewerb. Europäische Airlines sind einseitig mit steigenden Auflagen und Kosten konfrontiert, während nicht-europäische Fluggesellschaften weitgehend unbehelligt von Klimaschutzregulierungen weiterfliegen. Und gleichzeitig wurden die ohnehin schon großzügigen Verkehrsrechte für eine Staatsairline vom Golf noch einmal deutlich erweitert – mit dem Effekt, dass Qatar Airways in diesem Winter 35 Prozent mehr Kapazität für Flüge nach Deutschland einsetzt als noch im Jahr 2021. Mit dem Umsteigen in Doha werden die strengen europäischen Klimaschutzregulierungen umgangen. Das ist extrem widersprüchlich und ein Eigentor auf Kosten der Umwelt und unserer Wettbewerbsfähigkeit.

Liebe Leserinnen und Leser: Es ist Zeit, diesen Kurs zu korrigieren! Europa muss das Ruder jetzt rumreißen und eine Politik verfolgen, in der Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Das ist nötig und möglich. Auf den folgenden Seiten lesen Sie unsere Vorschläge für Maßnahmen, die Innovation fördern, fairen Wettbewerb gewährleisten und die Rechte von Passagieren und Arbeitnehmern gleichermaßen schützen.

Viel Freude bei der Lektüre!

Andreas Bartels
Leiter Konzernkommunikation 
Lufthansa Group
 

Dr. Kay Lindemann
Leiter Konzernpolitik
Lufthansa Group

 
 
 

Konnektivität und europäische Integration sichern

Europas Entscheider müssen der heimischen Luftfahrtindustrie wieder Priorität einräumen. Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und europäische Autonomie erfordern einen leistungsstarken Luftverkehr.

Die Luftfahrt sichert die europäische Freiheit und Integration. Sie verbindet Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften quer durch Europa und vernetzt den Kontinent mit Ländern in aller Welt. Der europäische Luftverkehr trägt erheblich zum Wohlstand und zum Wirtschaftswachstum der EU bei, indem er Handel und Tourismus vielfach überhaupt erst ermöglicht. Er sichert auch in Krisenzeiten globale Lieferketten, ermöglicht die Rückkehr gestrandeter EU-Bürger in ihre Heimat und sorgt für den schnellen Transport lebenswichtiger Güter und medizinischer Produkte.

EU-Luftverkehr einseitig belastet
Europäische Fluggesellschaften und Drehkreuze sind mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen gegenüber Airlines und Hubs aus Nicht-EU-Ländern konfrontiert. Grund sind immer neue Regulierungen, die Europa als Luftverkehrsstandort erheblich verteuern und den internationalen Wettbewerb zu Lasten der EU-Fluggesellschaften verzerren.

Trendwende einleiten
Es ist höchste Zeit, dass Brüssel eine Trendwende einleitet. Zwingend notwendig ist eine gründliche Überprüfung des European Green Deals, insbesondere der ReFuelEU-Aviation-Verordnung. Wir brauchen eine europäische Industriepolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrs sichert und Kostenbelastungen, die europäischen Airlines einseitig auferlegt sind, spürbar reduziert. Diese neue Luftfahrtpolitik muss in der nächsten Legislaturperiode Priorität werden: Die Europäische Union braucht eine global erfolgreiche Luftverkehrsbranche, damit die Transformation zur Klimaneutralität gelingt und die EU ihre strategische Autonomie dauerhaft sichert.

 
 
 

Top Prioritäten

  • Globale Wettbewerbsfähigkeit sichern
    European Green Deal überarbeiten und Europas Wirtschaft stärken
  • Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Balance bringen
    Europäische Klimaschutzabgabe für alle Fluggesellschaften einführen, um SAF zu finanzieren
  • Strategische Autonomie der EU erhalten
    Konsolidierung von Airlines erleichtern und euro­päische Interessen auf globaler Ebene durchsetzen
 
 
 

Luftfahrtsektor wettbewerbsfähig und nachhaltig gestalten

Die EU muss die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Netzwerk-Airlines fördern und für ein möglichst weltweites Level Playing Field eintreten. Dafür ist eine faire europäische Klimagesetzgebung, die Carbon Leakage verhindert, zentral.

Die Lufthansa Group hat sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt, die mit dem Pariser Abkommen und den Klimazielen der EU im Einklang stehen. Bis 2050 will das Unternehmen CO2-neutral operieren. Dafür investieren wir in treibstoff­effizientere Flugzeuge, setzen auf den Einsatz von Sustainable Aviation Fuel (SAF), fördern Intermodalität und optimieren unseren Betrieb.

Das Fit-for-55-Paket der EU implementiert eine Reihe von Gesetzen, um die Klimaziele zu erreichen. Drei dieser Initia­tiven betreffen direkt den Luftverkehr: die Reform des Emis­sionshandelssystems (ETS), ReFuelEU Aviation und die Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (ETD), die eine europäische Kerosinsteuer vorsieht (noch nicht beschlossen).

Sowohl EU-ETS als auch ReFuelEU Aviation schwächen in ihrer aktuellen Ausgestaltung die Wettbewerbsposition von weltweit operierenden EU-Fluggesellschaften. Insbesondere die ReFuelEU-Aviation-Verordnung, die für Abflüge aus der EU ab 2025 eine SAF-Beimischung vorschreibt, verteuert einseitig Flugverbindungen über europäische Drehkreuze. Der Preisanstieg bei Reisen über Istanbul, Doha oder Dubai hingegen ist marginal, da die SAF-Quoten hier nur für einen kurzen Teil der Strecke greifen. Die Folge: ein verzerrter internationaler Wettbewerb und Carbon Leakage. Denn Reisen mit Nicht-EU-Airlines werden vergleichsweise günstiger, mit dem Effekt, dass CO2-Emissionen verlagert und nicht vermieden werden. Der Gesetzgeber muss dieses Ungleichgewicht korrigieren.

 
 
 

Fit-for-55-Mehrkosten 2035 pro Ticket

 
 
 

Um faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen, sind diese Korrekturen notwendig:

  • Europäische Klimaschutzabgabe (SAF-Abgabe) einführen: Eine faire und einfache Lösung wäre eine SAF-Abgabe, die sich nach dem Reiseziel richtet – unabhängig davon, wo ein Fluggast umsteigt. Die gewonnenen Einnahmen könnten dazu genutzt werden, einen selbsttragenden Finanzierungsmechanismus für die Beschaffung von SAF zur Erfüllung der Beimischungsquoten zu schaffen. Das zahlt ebenso auf einen fairen Wettbewerb wie auf mehr Klimaschutz ein, weil Carbon Leakage verhindert wird.
  • SAF-Hochlauf fördern: Wenn Europa eine Vorreiterrolle bei nachhaltigen Kraftstoffen einnehmen will, braucht es eine gezielte Förderstrategie für die Produktion und den Einsatz von SAF. Der Net-Zero-Industry Act (NZIA) bietet den EU-Mitgliedstaaten den Rahmen, wirksame SAF-Förderprogramme unkompliziert einzuführen. Diese Chance gilt es zu nutzen, und sicherzustellen, dass Europa perspektivisch über ausreichend SAF zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügt.
  • CBAM im Luftverkehr anwenden: Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) kann dazu beitragen, Emissionen in global agierenden Industrien wirksam zu reduzieren. Er ist auch im Luftverkehr anzuwenden, um faire Wettbewerbs­bedingungen zwischen EU- und Nicht-EU-Fluggesellschaften zu schaffen.
 
 
 

Strategische Autonomie der EU sichern

Die EU muss ihre Netzwerk-Fluggesellschaften und Drehkreuze stärken. Nur so kann sie ihre Unabhängigkeit gegenüber außereuropäischen Airlines und Infrastrukturen wahren und die Kontrolle über ihre Konnektivität sowie Umwelt- und Sozialstandards behalten.
 
 
 

Hubs gewährleisten effiziente und nachhaltige Konnektivität

  • Drehkreuz
    Um 12 Destinationen mit einmaligem Umsteigen über ein Drehkreuz miteinander zu verbinden, sind 12 Flugstrecken notwendig. Städte mit geringerer Nachfrage profitieren von der Verbindungsvielfalt am Drehkreuz.
  • Punkt zu Punkt
    Um 12 Destinationen direkt miteinander zu verbinden, sind 66 Flugstrecken und eine entsprechend hohe lokale Nachfrage zwischen den Städten notwendig.

 
 
 

Netzwerk-Carrier sorgen mit ihren Drehkreuz-Verbindungen dafür, dass auch europäische Flughäfen in entlegeneren Regionen gut angebunden sind – über Direktverbindungen allein wäre dies kaum möglich. Damit haben die Hub-Airlines maßgeblichen Anteil daran, dass Europa im weltweiten Vergleich zu den touristischen Hotspots zählt. Heimische Netzwerk-Fluggesellschaften und Drehkreuze sind für die EU entscheidend, um rasch auf geopolitische Herausforderungen, ökonomische Verwerfungen und globale Krisen zu reagieren: Sie sichern die Resilienz Europas in einer vernetzten Welt.

Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Luftverkehrs zu stärken und einen unabhängigen Transport von Personen und Gütern zu gewährleisten, ist ein konsolidierter europäischer Luftverkehrsmarkt unerlässlich. Da nur Airlines von ausreichender Größe global konkurrenz­fähig sein können, ist es wichtiger denn je, europäische Fluggesellschaften zu stärken.

 
 
 

Luftverkehrsabkommen für europäische Interessen nutzen

Internationale Luftfahrtabkommen dienen dazu, fairen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Luftverkehrsmärkten zu sichern und gleichzeitig die weltweite Konnektivität zu fördern.
 
 
 

Flugreisende von Europa nach Asien:
EU-Airlines verlieren massiv Marktanteile

 
 
 

Leider hat die EU bei Vereinbarungen mit Drittländern zu oft darauf verzichtet, eigene Interessen angemessen zu berücksichtigen: Erstens sind die Airlines aus EU-Drittstaaten gegenüber heimischen Fluggesellschaften vielfach nicht den gleichen regulatorischen Verpflichtungen unterworfen. Zweitens eröffnen die Vereinbarungen den europäischen Airlines in vielen Fällen keine vergleichbaren Geschäftsmöglichkeiten in den außereuro­päischen Regionen.

Daher ist die EU-Luftfahrtaußenpolitik neu auszurichten. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass verbindliche und durchsetzbare Vorgaben zum Umweltschutz, zu sozialen Fragen und zu fairem Wettbewerb in bestehende und künftige Luftverkehrsabkommen aufgenommen werden.

 
 
 

Fluggastrechte reformieren

Die EU sollte ihre Gesetzgebung zu Fluggastrechten überarbeiten, um sowohl für Passagiere als auch für Fluggesellschaften Rechtssicherheit zu schaffen.

Die derzeitige EU-Verordnung über die Rechte von Flug­gästen (EG VO 261/2004) ist rechtlich nicht eindeutig und hat sich daher vor europäischen Gerichten zu einem der am meisten umstrittenen Verordnungen entwickelt. Überzogene und unklare Verbraucherschutzregeln und damit verbundene Kosten belasten die Zukunftsfähigkeit des europäischen Luftverkehrs über Gebühr. Die EU-Mitgliedstaaten sollten die EG VO 261 rasch und mit dem Ziel der Verhältnismäßigkeit

 
 
 

Innovation und Modernisierung fördern

Die EU muss Rahmenbedingungen zur Förderung innovativer Technologien setzen – sie sind der wesentliche Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit im Luftverkehr.
 
 
 

Der AeroSHARK-Effekt

 
 
 

Die Lufthansa Group zählt zu den Innovationsvorreitern. Bis 2030 werden wir insgesamt 200 brandneue Flugzeuge in den Dienst stellen, die gegenüber den Vorgängermodellen bis zu 30 Prozent weniger Treibstoff benötigen und entsprechend weniger CO2 emittieren. Zweitens treiben wir Innovationen selbst voran. So haben beispielsweise Lufthansa Technik und BASF gemeinsam AeroSHARK entwickelt: Eine Klebefolie, die der Haut von Haien nachempfunden ist und die Aero­dynamik von Flugzeugoberflächen optimiert. Dadurch sinken Treibstoffverbrauch und CO2-Emissionen (siehe Grafik).

Aber auch der europäische Gesetzgeber ist gefordert, die Dekarbonisierung gezielt zu unterstützen. Beispiel Single European Sky (SES): Ein vollständig umgesetzter SES ermöglicht deutlich effizientere Flugrouten und würde den Kerosinverbrauch im europäischen Luftverkehr maßgeblich senken. Neben dem Klima profitieren auch die Passagiere, zum Beispiel bei der Pünktlichkeit. Die EU ist gefordert, im SES-Rechtsrahmen starke Anreize und konkrete Ziele aufzunehmen, um die Gesamteffizienz des Flugverkehrsmanagementsystems (ATM) zu steigern.

 
 
 

EU-Sozialstandards und gute Arbeitsbedingungen schützen

Die EU muss dafür sorgen, dass vergleichbare Sozial- und Umweltstandards für alle Luftfahrtunternehmen gelten und durchgesetzt werden – für Anbieter aus der EU ebenso wie aus Drittstaaten. Dies ist entscheidend, um europäische Arbeitsschutzstandards aufrechtzuerhalten und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

Bestehende Gesetzeslücken leisten unlauterem Wettbewerb Vorschub. Die EU muss diese dringend schließen und fiktive Heimatbasen ebenso bekämpfen wie Scheinselbstständigkeit und die missbräuchliche Entsendung von Beschäftigten. Die europäische Luftfahrtindustrie und ihre Arbeitnehmenden verdienen einen klaren rechtlichen Rahmen, der faire Bedingungen schafft.

 
 
  
 
  
 
 

 

LUFTHANSA GROUP

Ihre Ansprechpersonen

 Als PDF anzeigen

Andreas Bartels
Leiter Konzernkommunikation
Lufthansa Group

 +49 69 696-3659
 andreas.bartels@dlh.de
 

Dr. Kay Lindemann
Leiter Konzernpolitik
Lufthansa Group

 +49 30 8875-3030
 kay.lindemann@dlh.de
 

Martin Leutke
Leiter Kommunikation
Lufthansa Group

 +49 69 696-36867
 martin.leutke@dlh.de
 

Jan Körner
Leiter Repräsentanz Berlin
Lufthansa Group

 +49 30 8875-3212
 jan.koerner@dlh.de
 

Sandra Courant
Leiterin politische Kommunikation
und Media Relations Berlin
Lufthansa Group

 +49 30 8875-3300
 sandra.courant@dlh.de
 

Ruben Schuster
Leiter Repräsentanz Brüssel
Lufthansa Group

 +32 492 228141
 ruben.schuster@dlh.de

 
 

Seitenanfang

 
 
 
 

Herausgeber:
Deutsche Lufthansa AG
FRA CI, 
Lufthansa Aviation Center
Airportring, D-60546 Frankfurt

Verantwortliche:
Andreas Bartels
Leiter Konzernkommunikation
Lufthansa Group

Dr. Kay Lindemann
Leiter Konzernpolitik
Lufthansa Group

Martin Leutke
Leiter Kommunikation
Lufthansa Group

Redaktionsleitung:
Sandra Courant

Redaktionelle Mitarbeit: 
Franziska Feinig, Anton Heinecke, Markus Karassek, Alexander Lutz, Oliver Simonis, Steffen van Eicke

Redaktionsschluss:
27. Februar 2024

Agenturpartner:
Köster Kommunikation
GDE | Kommunikation gestalten